Foto: Svena Langer
Foto: Svena Langer

Jahreslosung 2022

01. Januar 2022

Johannes 6,37

Verlag am Birnbach - Motiv von Stefanie Bahlinger, Mössingen

Wir erleben unzählige „Türmomente“ im Laufe unseres Lebens – hinter und vor Türen. Wunderschöne und unangenehme. Türen können trennen und verbinden. Meist hängt es von beiden Seiten ab – vor und hinter der Tür.

Auch Jesus und die Menschen um ihn herum kennen „Türmomente“. An solche Erfahrungen knüpft Jesus an, wenn er zu ihnen sagt:

„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“

Dieses Mal haben sie auch keine Fahrt über den See Genezareth gescheut, um ihn zu sehen. Sie haben am Tag davor erlebt, wie Jesus mit fünf Broten und zwei Fischen über fünftausend Menschen satt machte. Wenn der nicht der längst verheißene Prophet, der Messias ist, auf den schon ihre Väter und Mütter hofften, wer denn dann? Was hindert sie daran, ihn sofort zu ihrem König zu machen?

Doch Jesus entweicht auf die andere Seite des Sees nach Kapernaum. Vergeblich! Die Nachgereisten bestürmen ihn mit Fragen wie: „Was müssen wir tun, um Gott zu gefallen?“ „Welche Zeichen kannst du uns noch liefern, damit wir deinen Worten glauben können? Liefere uns den Beweis!“ Jesus weicht ihren Fragen nicht aus. Seine Antworten gipfeln in einer schlichten und zugleich provozierenden Behauptung: „Vor euch steht die Antwort auf alle eure Fragen: Ich bin`s! Ihr habt doch meine Worte gehört, meine Taten gesehen und glaubt mir trotzdem nicht! Wo ich bin, findet ihr Gott. Kommt zu mir, vertraut mir, nur ich kann euren Hunger und Durst nach Leben stillen. Sogar über dieses Leben hinaus!“

Verlag am Birnbach

Regionalbischof Friedrich Selter zur Jahreslosung

Jesus Christus spricht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Johannes 6, 37

Stellen Sie sich die Geschichte vom sogenannten verlorenen Sohn (Lukas 15, 11-32) vor, wie er völlig fertig und mit schlechtem Gewissen zu seinem Vater zurückkommt und ihn nur um ein bisschen Schutz und etwas zu essen bittet, vielleicht noch um eine Anstellung als Knecht. Und dann würde der Vater ihm nicht mit ausgebreiteten Armen entgegenlaufen, würde ihn nicht freudig wieder in seinem Haus aufnehmen, würde kein Fest für seine Heimkehr feiern, sondern würde seine Arme vor der Brust verschränken und sagen: „Verschwinde, du hast deine Chance gehabt und sie vertan.“ Oder würde zumindest Erklärungen und Entschuldigungen verlangen. 

Regionalbischof Friedrich Selter (c) Sprengel Osnabrück

Aber Gott ist anders. Jesus Christus zeigt uns, dass wir bei ihm willkommen sind, auch wenn Verstörendes in unserem Leben vorgefallen ist, Dinge, die uns beschämen. Die Botschaft lautet: „Es ist niemand zu groß, es ist niemand zu klein, es ist niemand zu arm oder reich. Es ist niemand zu einfach und niemand zu fein, seine Liebe gilt für alle gleich. Gott öffnet jedem die Tür, jedem, der ihn fragt …“. So formuliert es ein Lied von Manfred Siebald, das wir früher oft gesungen haben. Es gibt Menschen, deren Türen stehen immer offen und auch die Herzen. Da ereignen sich Gespräche, bei denen man Güte und Wohlwollen spürt. Da kann sogar ausgesprochen werden, was man sonst niemandem sagen möchte. Da „weht ein guter Geist.“ Es ist der gute Geist Gottes. Wie offen sind wir selbst? Gibt es Menschen, die wir am liebsten abweisen würden, die wir nicht bei uns haben wollen? Welche sind das und was sind die Gründe dafür? Und gibt es jemanden, zu dem wir selbst uns nicht trauen? Warum fürchten wir, dass wir von ihm oder ihr abgewiesen werden? Diese Fragen erscheinen mir wichtig. Nicht um Mauern der Ablehnung, die vielleicht zwischen uns und anderen stehen, zu rechtfertigen. Sondern um die Ausgrenzung zwischen uns und anderen zu überwinden. Als solche, die in Gemeinschaft mit Jesus Christus leben dürfen, sollen wir diese Gemeinschaft auch anderen schenken. Ein Zusammenleben in Gerechtigkeit und Frieden lebt von Wohlwollen und Güte.

Ihr Regionalbischof Friedrich Selter

Text entnommen Seite 10, Kontakte Dezember 2021 - Januar 2022

Geheimnisvolles liegt in Stefanie Bahlingers Grafik. Eine geöffnete Tür weckt meine Neugierde: wer hat sie geöffnet und für wen? Ich sehe nur einen kleinen Ausschnitt des Raums dahinter. Niemand da? Wer und was erwarten mich, wenn ich mich nähere? Darf ich eintreten?

Auf einem Tisch liegt ein Brot, dicht daneben steht ein Glas Wein. Für wen? Der Tisch ist nur angedeutet, wirkt schwebend. Sonst sind keine Möbel zu sehen, weder ein Schrank noch Stühle, auch keine Rückwand. Nur warmes, einladendes Licht, das von hinten in den Raum fällt und sich nach außen hin ausbreitet. Woher kommt es? Der Lichtkegel sieht aus wie ein Weg. Der Zutritt ist barrierefrei, der Eintritt frei - kein „Türsteher“, keine Kontrolle.

Bleibt die Tür offen oder fällt sie irgendwann ins Schloss? Ein überdimensionaler goldener Schlüssel in Form eines Kreuzes baumelt an einer Kette von oben herab. Das Kreuz als Schlüssel zum Leben … Beim genaueren Hinsehen entdecke ich auch auf dem Brot ein zartes goldenes Kreuz. Ebenso könnte das Rot des Weines im Kelch mit dem Rot am linken Türrahmen korrespondieren.

Ansonsten bestimmen pastellige Blautöne die obere Bildhälfte, die sich mit den zarten Braun- und Grautönen der unteren Bildhälfte vermischen. Himmelsfarben treffen auf erdige Töne. Der Ort scheint zwischen Himmel und Erde zu schweben.

Wo finde ich diesen Raum mit seiner geheimnisvollen Weite, diesen Ort, an dem ich mich zuhause und geborgen fühlen könnte? Ist es ein Sehnsuchtsort, der sich überall auftun könnte, vielleicht sogar in meinem Herzen?

Mir scheint, als habe uns die Künstlerin in ihrer symbolreichen Grafik nicht nur einen Ort, sondern zugleich den Gastgeber selbst vor Augen gemalt, der uns zu sich einlädt und verspricht:

„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“

Das gilt auch für Jesu Einladung zum Abendmahl. Brot und Wein bilden die Mitte der Grafik. In ihnen ist Jesus selbst gegenwärtig. Wie wir bei der Mahlfeier Brot und Wein in uns aufnehmen, so möchte Jesus auch in unsere Herzen aufgenommen werden und uns schon im Hier und Jetzt nahe sein. Nichts und niemand kann uns von ihm und seiner Liebe trennen. Auch nicht der Tod.

Es berührt mich, dass Jesus vor meiner Tür steht und nur eintritt, wenn er nicht abgewiesen wird. Er fragt dabei nicht einmal nach meinen „Gastgeberqualitäten“. Seine verschweigt er jedoch nicht. In seinen „Ich-Bin-Worten“ stellt er sich als der von Gott Gesandte vor. Sie stecken voller Bilder und Vergleiche, die Stefanie Bahlinger in ihrer Grafik aufnimmt. 

Ich glaube an Gott,
den Schöpfer von Himmel und Erde,
der uns beschützt, wenn wir Angst haben
und uns in der Dunkelheit die Hand reicht und uns führt.

Ich glaube, dass er immer und überall für einen da ist,
dass er jedem in schweren Zeiten zur Seite steht,
dass er jeden gleich liebt, wie er geht und steht,
dass er an uns denkt und besonders in schwierigen
Situationen bei uns ist.

Ich glaube, lieber Gott,
dass du in jedem Menschen die Wahrheit siehst.
Du siehst uns ins Herz und du verlässt uns nie.
Du hast nicht nur unsere Welt geschaffen,
du gibst uns Kraft, Mut, Sicherheit und Geborgenheit
und einen Zufluchtsort in guten wie in schlechten Zeiten.

Amen

Texte: Renate Karnstein, Verlag am Birnbach